1、In der Strafkolonie21In der StrafkolonieFranz KafkaEs ist ein eigentmlicher Apparat, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und berblickte mit einem gewissermaen bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat. Der Reisende schien nur aus Hflichkeit der Einladung des Kommandanten gefolg
2、t zu sein, der ihn aufgefordert hatte, der Exekution eines Soldaten beizuwohnen, der wegen Ungehorsam und Beleidigung des Vorgesetzten verurteilt worden war. Das Interesse fr diese Exekution war wohl auch in der Strafkolonie nicht sehr gro. Wenigstens war hier in dem tiefen, sandigen, von kahlen Abh
3、ngen ringsum abgeschlossenen kleinen Tal auer dem Offizier und dem Reisenden nur der Verurteilte, ein stumpfsinniger breitmuliger Mensch mit verwahrlostem Haar und Gesicht, und ein Soldat zugegen, der die schwere Kette hielt, in welche die kleinen Ketten ausliefen, mit denen der Verurteilte an den F
4、u- und Handkncheln sowie am Hals gefesselt war und die auch untereinander durch Verbindungsketten zusammenhingen. brigens sah der Verurteilte so hndisch ergeben aus, da es den Anschein hatte, als knnte man ihn frei auf den Abhngen herumlaufen lassen und msse bei Beginn der Exekution nur pfeifen, dam
5、it er kme.Der Reisende hatte wenig Sinn fr den Apparat und ging hinter dem Verurteilten fast sichtbar unbeteiligt auf und ab, whrend der Offizier die letzten Vorbereitungen besorgte, bald unter den tief in die Erde eingebauten Apparat kroch, bald auf eine Leiter stieg, um die oberen Teile zu untersu
6、chen. Das waren Arbeiten, die man eigentlich einem Maschinisten htte berlassen knnen, aber der Offizier fhrte sie mit einem groen Eifer aus, sei es, da er ein besonderer Anhnger dieses Apparates war, sei es, da man aus anderen Grnden die Arbeit sonst niemandem anvertrauen konnte. Jetzt ist alles fer
7、tig! rief er endlich und stieg von der Leiter hinunter. Er war ungemein ermattet, atmete mit weit offenem Mund und hatte zwei zarte Damentaschentcher hinter den Uniformkragen gezwngt. Diese Uniformen sind doch fr die Tropen zu schwer, sagte der Reisende, statt sich, wie es der Offizier erwartet hatt
8、e, nach dem Apparat zu erkundigen. Gewi, sagte der Offizier und wusch sich die von l und Fett beschmutzten Hnde in einem bereitstehenden Wasserkbel, aber sie bedeuten die Heimat; wir wollen nicht die Heimat verlieren. - Nun sehen Sie aber diesen Apparat, fgte er gleich hinzu, trocknete die Hnde mit
9、einem Tuch und zeigte gleichzeitig auf den Apparat. Bis jetzt war noch Hndearbeit ntig, von jetzt aber arbeitet der Apparat ganz allein. Der Reisende nickte und folgte dem Offizier. Dieser suchte sich fr alle Zwischenflle zu sichern und sagte dann: Es kommen natrlich Strungen vor; ich hoffe zwar, es
10、 wird heute keine eintreten, immerhin mu man mit ihnen rechnen. Der Apparat soll ja zwlf Stunden ununterbrochen im Gang sein. Wenn aber auch Strungen vorkommen, so sind sie doch nur ganz kleine, und sie werden sofort behoben sein.Wollen Sie sich nicht setzen? fragte er schlielich, zog aus einem Hauf
11、en von Rohrsthlen einen hervor und bot ihn dem Reisenden an; dieser konnte nicht ablehnen. Er sa nun am Rande einer Grube, in die er einen flchtigen Blick warf. Sie war nicht sehr tief. Zur einen Seite der Grube war die ausgegrabene Erde zu einem Wall aufgehuft, zur anderen Seite stand der Apparat.
12、Ich wei nicht, sagte der Offizier, ob Ihnen der Kommandant den Apparat schon erklrt hat. Der Reisende machte eine ungewisse Handbewegung; der Offizier verlangte nichts Besseres, denn nun konnte er selbst den Apparat erklren. Dieser Apparat, sagte er und fate eine Kurbelstange, auf die er sich sttzte
13、, ist eine Erfindung unseres frheren Kommandanten. Ich habe gleich bei den allerersten Versuchen mitgearbeitet und war auch bei allen Arbeiten bis zur Vollendung beteiligt. Das Verdienst der Erfindung allerdings gebhrt ihm ganz allein. Haben Sie von unserem frheren Kommandanten gehrt? Nicht? Nun, ic
14、h behaupte nicht zu viel, wenn ich sage, da die Einrichtung der ganzen Strafkolonie sein Werk ist. Wir, seine Freunde, wuten schon bei seinem Tod, da die Einrichtung der Kolonie so in sich geschlossen ist, da sein Nachfolger, und habe er tausend neue Plne im Kopf, wenigstens whrend vieler Jahre nich
15、ts von dem Alten wird abndern knnen. Unsere Voraussage ist auch eingetroffen; der neue Kommandant hat es erkennen mssen. Schade, da Sie den frheren Kommandanten nicht gekannt haben! - Aber, unterbrach sich der Offizier, ich schwtze, und sein Apparat steht hier vor uns. Er besteht, wie Sie sehen, aus
16、 drei Teilen. Es haben sich im Laufe der Zeit fr jeden dieser Teile gewissermaen volkstmliche Bezeichnungen ausgebildet. Der untere heit das Bett, der obere heit der Zeichner, und hier der mittlere, schwebende Teil heit die Egge. Die Egge? fragte der Reisende. Er hatte nicht ganz aufmerksam zugehrt,
17、 die Sonne verfing sich allzu stark in dem schattenlosen Tal, man konnte schwer seine Gedanken sammeln. Um so bewundernswerter erschien ihm der Offizier, der im engen, parademigen, mit Epauletten beschwerten, mit Schnren behngten Waffenrock so eifrig seine Sache erklrte und auerdem, whrend er sprach
18、, mit einem Schraubendreher noch hier und da an einer Schraube sich zu schaffen machte. In hnlicher Verfassung wie der Reisende schien der Soldat zu sein. Er hatte um beide Handgelenke die Kette des Verurteilten gewickelt, sttzte sich mit der Hand auf sein Gewehr, lie den Kopf im Genick hinunterhnge
19、n und kmmerte sich um nichts. Der Reisende wunderte sich nicht darber, denn der Offizier sprach franzsisch, und Franzsisch verstand gewi weder der Soldat noch der Verurteilte. Um so auffallender war es allerdings, da der Verurteilte sich dennoch bemhte, den Erklrungen des Offiziers zu folgen. Mit ei
20、ner Art schlfriger Beharrlichkeit richtete er die Blicke immer dorthin, wohin der Offizier gerade zeigte, und als dieser jetzt vom Reisenden mit einer Frage unterbrochen wurde, sah auch er, ebenso wie der Offizier, den Reisenden an.Ja, die Egge, sagte der Offizier, der Name pat. Die Nadeln sind egge
21、nartig angeordnet, auch wird das Ganze wie eine Egge gefhrt, wenn auch blo auf einem Platz und viel kunstgemer. Sie werden es brigens gleich verstehen. Hier auf das Bett wird der Verurteilte gelegt. - Ich will nmlich den Apparat zuerst beschreiben und dann erst die Prozedur selbst ausfhren lassen. S
22、ie werden ihr dann besser folgen knnen. Auch ist ein Zahnrad im Zeichner zu stark abgeschliffen; es kreischt sehr, wenn es im Gang ist; man kann sich dann kaum verstndigen; Ersatzteile sind hier leider nur schwer zu beschaffen. - Also hier ist das Bett, wie ich sagte. Es ist ganz und gar mit einer W
23、atteschicht bedeckt; den Zweck dessen werden Sie noch erfahren. Auf diese Watte wird der Verurteilte buchlings gelegt, natrlich nackt; hier sind fr die Hnde, hier fr die Fe, hier fr den Hals Riemen, um ihn festzuschnallen. Hier am Kopfende des Bettes, wo der Mann, wie ich gesagt habe, zuerst mit dem
24、 Gesicht aufliegt, ist dieser kleine Filzstumpf, der leicht so reguliert werden kann, da er dem Mann gerade in den Mund dringt. Er hat den Zweck, am Schreien und am Zerbeien der Zunge zu hindern. Natrlich mu der Mann den Filz aufnehmen, da ihm sonst durch den Halsriemen das Genick gebrochen wird. Da
25、s ist Watte? fragte der Reisende und beugte sich vor. Ja, gewi, sagte der Offizier lchelnd, befhlen Sie es selbst. Er fate die Hand des Reisenden und fhrte sie ber das Bett hin. Es ist eine besonders prparierte Watte, darum sieht sie so unkenntlich aus; ich werde auf ihren Zweck noch zu sprechen kom
26、men. Der Reisende war schon ein wenig fr den Apparat gewonnen; die Hand zum Schutz gegen die Sonne ber den Augen, sah er an dem Apparat in die Hhe. Es war ein groer Aufbau. Das Bett und der Zeichner hatten gleichen Umfang und sahen wie zwei dunkle Truhen aus. Der Zeichner war etwa zwei Meter ber dem
27、 Bett angebracht; beide waren in den Ecken durch vier Messingstangen verbunden, die in der Sonne fast Strahlen warfen. Zwischen den Truhen schwebte an einem Stahlband die Egge.Der Offizier hatte die frhere Gleichgltigkeit des Reisenden kaum bemerkt, wohl aber hatte er fr sein jetzt beginnendes Inter
28、esse Sinn; er setzte deshalb in seinen Erklrungen aus, um dem Reisenden zur ungestrten Betrachtung Zeit zu lassen. Der Verurteilte ahmte den Reisenden nach; da er die Hand nicht ber die Augen legen konnte, blinzelte er mit freien Augen zur Hhe.Nun liegt also der Mann, sagte der Reisende, lehnte sich
29、 im Sessel zurck und kreuzte die Beine.Ja, sagte der Offizier, schob ein wenig die Mtze zurck und fuhr sich mit der Hand ber das heie Gesicht, nun hren Sie! Sowohl das Bett als auch der Zeichner haben ihre eigene elektrische Batterie; das Bett braucht sie fr sich selbst, der Zeichner fr die Egge. So
30、bald der Mann festgeschnallt ist, wird das Bett in Bewegung gesetzt. Es zittert in winzigen, sehr schnellen Zuckungen gleichzeitig seitlich wie auch auf und ab. Sie werden hnliche Apparate in Heilanstalten gesehen haben; nur sind bei unserem Bett alle Bewegungen genau berechnet; sie mssen nmlich pei
31、nlich auf die Bewegungen der Egge abgestimmt sein. Dieser Egge aber ist die eigentliche Ausfhrung des Urteils berlassen.Wie lautet denn das Urteil? fragte der Reisende. Sie wissen auch das nicht? sagte der Offizier erstaunt und bi sich auf die Lippen: Verzeihen Sie, wenn vielleicht meine Erklrungen
32、ungeordnet sind; ich bitte Sie sehr um Entschuldigung. Die Erklrungen pflegte frher nmlich der Kommandant zu geben; der neue Kommandant aber hat sich dieser Ehrenpflicht entzogen; da er jedoch einen so hohen Besuch - der Reisende suchte die Ehrung mit beiden Hnden abzuwehren, aber der Offizier bestand auf dem Ausdruck - einen so hohen Besuch nicht einmal von der Form unseres Urteils in Kenntnis setzt, ist wieder eine Neuerung, die -, er hatte einen Fluch auf de